Liebe Leser! Hier eine alte Predigt zur Fastenzeit.
Predigt in der Deutschen Kirche Helsinki am 19.2.2006 (Sexagesimae)
Lieder: 445: 1-4, 196: 1-4, 197, 372: 1-4
Predigttext: 2. Korintherbrief 12:1-10
Liebe Gemeinde!
Der Predigttext zu diesem 2. Sonntag vor der Passionszeit steht geschrieben
im 2. Korintherbrief, im 12. Kapitel:
Der große und gleich berüchtigte deutscher Denker Friedrich Nietzsche behauptete, dass die Schwäche und Unterwürfligkeit die Merkmale des Christentums seien. Der Christ sei wie eine orientalische Frau, die von ihrem Herrn nur Hiebe erwartet und wenn sie versetzt werden, winselt sie im geheimen vor Vergnügen, und will mehr Schläge bekommen. Er schreibt in seinem Werk „Der Antichrist“ in folgender Weise:
Der große Denker teilt die Menschheit zu starken und schwachen. Die starken
können sich ihre Triebe und Fähigkeiten frei entfalten dank ihrer tierischen
Kraft und Schonungslosigkeit, die schwachen dagegen brauchen Familien,
Gewerkschaften, Parteien oder sogar die Kirche um im Lebenskampf zu überstehen.
Schleift man die gröbsten Kanten dieses Gedankeguts ab, bekommt man doch
ein recht modernes Menschenbild. Also Mensch, der sich immer durchsetzt, der
immer das Feinste für sich nimmt, ohne zu denken, was das für ihn oder für
seine Umgebung kostet.
Der Apostel Paulus
war ein ''starker Typ.'' Mit einer unendlichen Energie hat er seine Ziele
verfolgt. Er ist für seine Überzeugungen eingetreten, war gebildet und ist so
in der jüdischen Karriereleiter weit emporgestiegen: er hatte den offiziellen
Auftrag, die Christen zu verfolgen und zu erledigen - ein Auftrag, den ihm sein
Eifer gegen die Christen eingebracht hatte.
Dieser Paulus hat nach seiner Bekehrung auf dem Wege zu Damaskus mit
demselben Eifer Jesus Christus, den Auferstandenen und lebendigen Jesus, unter
den Menschen im Mittelmeerraum bekannt gemacht. Von Ort zu Ort ist er gezogen
in vielen Missionsreisen, um Menschen zu Jesus zu bringen, um zum Glauben
einzuladen! Er ist ein Macher, er ist was.
In heutigem Predigttext beschreibt Paulus einige Erfahrungen seines Lebens.
In dritter Person spricht er über sich selbst und beschildert seine geistlichen Höhenflüge, als
er entrückt wurde, und etwas unbeschreibliches und herrliches erlebte und
unaussprechliche Worte entnahm.
Andererseits beschreibt er die tiefen Täler seines Glaubenslebens, indem er
sagt: „Und damit ich mich wegen der hohen Offenbarungen nicht überhebe, ist mir
gegeben ein Pfahl ins Fleisch, nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten
schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe.“
Er leidet also unter etwas, worüber wir nichts erfahren können. Wir wissen,
dass viele Gläubige sind eben wegen eines Pfahles, wegen Krankheiten
oder Sprüngen, die den betroffenen belästigen.
Paulus hat zwei Ziele: erstens will er die Gemeinde in Korinth erziehen und
zweitens will er etwas grundlegendes über Glauben an Jesus Christus berichten.
Paulus muss
diese Sachlage "gewurmt" haben, denn er kommt in seinem Brief sehr
ausführlich auf das Thema "rühmen" zu sprechen. Zuerst sieht es so
aus, als wolle er sich rechtfertigen. Es ist nämlich keineswegs so, dass er
nichts vorzuweisen hätte. Dazu hat er schon viel zu viel durchgemacht. Denn er
war es ja, der im Dienste seines Herrn Jesus pausenlos unterwegs war. Auf
seinen Wegen ist ihm vieles widerfahren. Meistens aber waren seine Erlebnisse
schwere und schmerzhafte Erfahrungen, von denen er eine ganze Reihe aufzählt:
Er hat im Gefängnis gesessen für die Botschaft vom Kreuz Christi, die er
unermüdlich verbreitete. Er ist fünfmal zu Prügelstrafen verurteilt worden; einmal
wurde er sogar gesteinigt. Seine langen Reisen haben ihn mehrfach in große
Gefahr gebracht, ja, er hat sogar Schiffbruch erlitten.
Er durfte also zu Recht sagen: Es ist ein
ziemliches Wunder, dass ich das alles überstanden habe und noch lebe. Er ist ein Macher, er ist
was.
Das zweite Ziel ist etwas erbauliches, wenn er sagt: „Denn wenn ich schwach
bin, so bin ich stark.“ Doch wir müssen genau hinsehen - es geht nicht um die
Schwäche an sich, nicht um eine Verherrlichung der Schwäche! Paulus wird
inmitten seiner Stärke und seiner Schwachheit von Gott gelehrt: ''Lass dir an
meiner Gnade genügen...''. Dieser eine Satz stellt alles Ringen um
Gerechtigkeit, allen Einsatz für Gott, alle menschliche Stärke und Leistung
''auf die Füße'': Es ist Gottes unverdiente Gnade und Zuwendung, aus der heraus
ein Mensch vor Gott gerecht wird und aus der heraus wir Gottes Liebe und
Zuwendung empfangen.
Wo ein Mensch in und mit seiner Schwachheit leben kann und nicht daran zerbricht, da in Wahrheit zeigt sich, dass er aus Gnade lebt. Das ist genug, alles darüber hinaus ist törichtes Selbstlob.
Auch heute noch ist die Schwäche und demütig
getragene Ohnmacht der Christen die bessere Werbung für die Sache ihres Herrn!
Wir gewinnen weitaus mehr Menschen für ihn, wenn wir auf Macht und Einfluss
verzichten, nicht jeden Spaß mitmachen und nicht immer auf der Seite der
Stärkeren stehen. Da haben sich schon genügend Menschen dieser Zeit
eingerichtet. Da kann nicht unser Platz sein.
Und der
Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, der bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus.
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