sunnuntai 4. toukokuuta 2014

Misericordias Domini



Misericordias Domini, Guthirtensonntag

Misericordias Domini in aeternum cantabo

(Diese Predigt wurde in der Deutschen Kirche Helsinki am 4.5.2013 gehalten)

Der Predigttext des heutigen Sonntags steht geschrieben im 13. Kapitel des Hebräerbriefes:

 „Der Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus, von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes, der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“


Liebe Brüder und Schwester!

Guthirtensonntag heißt dieser Sonntag des Kirchenjahres. Unsere kleinen Gemeindemitglieder haben das Lämmchen in ihren Gottesdienst mitgenommen als ein Zeichen dafür, dass wir alle Schafe Jesu sein sollten. Jesus als Hirte und wir Christen als Schafe ist ein altes, vielleicht ein bisschen schnulziges Bild über Jesus und über das Christsein. Ein Christ als ein Lamm kommt dem modernen Menschen nicht besonders mündig vor und warum muss er eben nach den verlorenen laufen: wir anständigen sind ja da!
Hirten und Schafe sind trotzdem keine niedlichen Schnörkel oder Verzierungen der biblischen Sprache. Nein, eher muss man sagen, dass sie zu den zentralen Begriffen des Glaubens gehören. Die Hirten verrichten eine schwere und unbequeme Arbeit auf den Wiesen und sind auch dann im Einsatz, wenn die anderen Menschen im Bett liegen. Ihre Arbeit ist den anderen zu dienen. Sie gehören nicht zu der Oberschicht. Sie vertreten Demut und Dienstbereitschaft.
Das Bild vom Hirten spielt in der Bibel eine große Rolle. Der Hirte vertritt ein großes Ideal. In der Vätergeschichte waren ja die Hauptgestalten Abraham, Isaak und Jakob Hirten, König David war auch Hirte sogar in zweier Weise: zuerst hütete er seine Schafe und dann später das Volk Israel.  Auch die Könige in der alttestamentlichen Welt wurden entweder gute oder schlechte Hirten genannt.

Jahwe betrachtet im Alten Testament die Aufnahme oder Verwerfung Seiner Boten und damit Seiner Botschaft, als seine persönliche Annahme oder Verwerfung. Wer diese Zeugen und ihre Botschaft angenommen und sich darunter gebeugt hat, wird mit "Schaf" bezeichnet und zur Rechten des Königs gestellt und darf ins ewige Leben eingehen; wer aber Gott und seine Sendboten verworfen und gehasst hat, wird als "Bock" zur Linken gestellt und empfängt ewiges Gericht.

Dieses Bild des Endgerichts wiederholt sich in der Offenbarung Johannis, wo gesagt wird: „Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirte die Schafe von den Ziegen scheidet, und er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Zicklein aber zu seiner Linken. Der Höhepunkt dieser Hirtenbilder ist sicher der Psalm 23, was wir eben zusammen gelesen hatten: Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Der gute Hirte ist im Christentum eine der ältesten Bezeichnungen für Jesus Christus. Es war übrigens auch ein Lieblingsbild mancher römischer Herrscher. Kaiser Augustus ließ sich gerne in Stauen im Hirtengewand mit einem Schaf zu seinen Füßen abbilden. Wie die Hirten immer wieder auf der Suche nach neuen Weidegründen sind, so müssen die Könige damals und die Politiker heute versuchen, immer neue Lebensmöglichkeiten für ihr Volk zu finden. Das tut auch heute der Präsident unseres östlichen Nachbarlandes, indem er sich vor ein Paar Wochen in einem Interview als Hirten des russischen Volkes bezeichnete. Neue Weidegründen…Ein Lieblingsmotiv vieler Machthaber durch die Zeiten.

Der gute Hirte aber kennt die Schafe und ruft sie einzeln beim Namen. Die Schafe erkennen ihn an der Stimme. Bis zur Hingabe des eigenen Lebens setzt sich der gute Hirte im Gegensatz zum Lohnhüter für die Herde ein.
Den Hintergrund der allegorischen neutestamentlichen jesuanischen Hirtenworte bildet das Hirtenmotiv des Alten Testaments, das auf Gott selbst bezogen ist. Einen Gegenpol hat die Allegorie Jesu als dem guten Hirten in dem des „Lammes Gottes“. Hier erscheint Jesus als makelloses Lamm, das zur Vergebung der Sünden geopfert wird.

Liebe Gemeinde! Wir blieben eine Weile bei der Hirten- und Lammkunde, um vielleicht besser in diese archaische Bilderwelt hinein zu kommen und uns von den abwegigen Hirtenvorstellungen und romantischen Weidelandschaften zu befreien.

Unser heutiger Predigttext ist eine Doxologie, ein Gotteslob am Ende des Hebräerbriefes. In ihn wurde die zentrale Aussage des Briefes destilliert. Die ursprüngliche Aufgabe des Textes war die neuen Gemeindemitglieder in Rom in ihrem Glauben und Gemeindeleben zu stärken. Der Text hat einen direkten Bezug auf die Osterereignisse und er baut gleichzeitig eine Brücke von der Passion zum Himmelfahrt. Der Text bildet auch einen Übergang zwischen dem Alten und Neuen Testament, indem er  besagt, dass die Sünden des alten Bundes durch das Blut des ewigen Bundes vergeben sind. Mit Jesus Christus ist die neue Ära eingetreten.

Liebe Gemeinde, wir verlassen jetzt die neutestamentlichen Realien und nehmen ins Visier das Hirtenamt. Hier und da gibt es sie ja tatsächlich, die guten Vorbilder, für die wir Gott wirklich nur dankbar sein dürfen. Der gute Hirte, den die Bibel beschreibt, ist keine menschliche Möglichkeit. Es ist Gottes Freiheit, sich uns anzubieten als der gute Hirte. Aber auch der gute Schafhirte taugt als Beispiel für das, was Christen füreinander sein können: Begleitung, Stütze und Stärke. Menschen, die füreinander wichtig sind und einander helfen zu leben. Das ist schon sehr viel. Solange wir einander segnen, einander begegnen in der Nachfolge des guten Hirten, der da ist für die Seinen, solange ist die Kirche nicht verloren.

Es gibt allerhand Hirten, sowohl weltliche als auch kirchliche, aber es gibt nur einen guten Hirten. Die Menschen bleiben fehlbar, auch die Besten. Sie können irregehen und auch falsch führen. Die Menschheit hat sich im Laufe der Geschichte von allerlei Hirten führen lassen und tut das immer noch, dafür haben wir reichlich Beispiele.

Die bösen Hirten weiden an sich selbst, sie kennen ihr Schaar nur als ein Mittel für die eigene Selbstverwirklichung und Machtentfaltung. Sie lassen ihr Leben tatsächlich nicht für ihre Schafe. Von dieser Heimsuchung sind leider auch die Kirchen betroffen: die römische Kirche mit ihrem Papstwesen und Sakramentisierung des Priestertums und die orthodoxe mit ihrer engen und langen Liaison mit den jeweiligen Machthabern. Die Führungsprobleme unserer Kirche sind ein bisschen anders. Der Stein des Anstoßes für diejenige, die für obere Hirtenämter im Lande eingekleidet sind, ist die Fügsamkeit und die bedingungslose Anpassung zum Zeitgeist. Man rasiert mit dem Strich, damit es nicht weh tut.


Und wie sieht dieser Zeitgeist aus? Es wird in vieler Weise versucht die Religion in der Gesellschaft zu marginalisieren und entwässern, mit der Begründung, dass alle Bürger des Landes die christlichen Werte nicht teilen können oder wollen. Diese antikirchliche und antichristliche Kräfte  sind besonders emsig im Bereich der Erziehung gewesen: typische Beispiele sind die Suvivirsi- und Tageseröffnungsdiskussion und der Schlacht um die zukünftigen Religionslehrpläne gewesen. Je weniger wir christliche Früherziehung haben, desto weniger wird es auch Christen geben, so etwa läuft die Logik dieser lauter Minderheit, die leider auch von den führenden Medien unterstützt wird.

Es ist angenehmer und populärer über die Gleichberechtigung, Pluralität, Solidarität und Demokratie zu reden als über die Sünde, Gnade und Seelenheil. Es besteht die Gefahr die Botschaft Christi zu einer sozialen Gerechtigkeitspredigt zu reduzieren. Es kann auch nicht wahr sein, dass die sexualethischen Fragen die Mitte der christlichen Botschaft bilden. Da hätten unsere Hirten lauter sein können und in Kauf nehmen, dass es nicht immer geklatscht wird. Die Gerechtigkeit ist die Folge und Frucht des Glaubens, nicht ihre Voraussetzung. Die Hirtenarbeit sollte auch eine prophetische Arbeit sein, obgleich sie in der jetzigen Zeit durchgeführt wird.

Andererseits, wenn man die Nachfolger Jesu anschaut, waren sie auch keine besonderen Glaubenshelden, wie zum Beispiel der dreifache Versager Petrus, der später den Fels der Kirche bilden sollte.
Sein dreifaches Versagen muss Petrus durch sein dreifaches
Bekenntnis wieder gut machen. Jesus nimmt es an und setzt den reumütigen Sünder wieder ein. Und gerade diesem gibt er den Auftrag: Weide meine Schafe!

Jesus sucht sich, das sehen wir im ganzen Neuen Testament,
immer wieder Menschen, denen man es eigentlich nicht zutraut, dass sie das Hirtenamt ausüben könnten. Aber gerade darin liegt ja das Besondere an dieser Aufgabe, an diesem Amt.

Als Pfarrer bin ich nicht der gute Hirte, weder die liebe Katja, Erik oder Hans-Martin. Wir sind Schäfer mit unterschiedlichen Gaben, vom guten Hirten beauftragt um SEINE Schafe zu weiden. Er ist unser guter Hirte, er soll dem Verlorenen nachgehen und den Verletzten heilen. Jesus hat gesagt: Weide meine Schafe! Aber
damit hat er mich nicht zum guten Hirten gemacht, sondern
ich bleibe, was ich war: Ein Mensch, der fehlen kann, ein
Sünder wie du und ich. Der Auftrag des Pfarrers ist es: Gottes Wort zu verkünden und die Sakramente zu verwalten. Dass dieses Wort aber wirkt, dass Menschen gerettet werden, dass Sünden vergeben werden, das kann nicht der Pfarrer, das kann nur Gott.

Vor Ostern wurden in manchen finnischen Gemeinden sogenannte „Twaarnas“ gehalten, das ist eine Twitterpredigt, etwa 140 Zeichen lang und könnte auf Deutsch „Twredigt“ heissen. Die Idee war die redseligen Pfarrer abzubremsen und sich auf das wesentliche zu konzentrieren. Vielleicht könntest du heute das nach Hause mitbringen: „Du bist einzigartig, du bist ein Abbild Gottes. Dies ist dein Vorteil, Freiheit und Pflicht. Es gibt keinen direkten Weg zum Christsein. Wenn du diesem Bild deinen Rücken kehrst, wirst du von Angst, Zweifel und Not begleitet. Deine Aufgabe als Mensch ist, das zu werden, wozu du bestimmt bist. Die richtige Freude kann nur durch den Durst der Seele erzielt werden. Dieser Lebensweg ist gangbar nur durch die Umwandlung und Änderung. Auf diesem Wege hast du den treuen Begleiter, der dir sagt:

"Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen."

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Amen


Weil ich Jesu Schäflein bin...










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