Misericordias Domini, Guthirtensonntag
Misericordias Domini
in aeternum cantabo
(Diese Predigt wurde in der Deutschen
Kirche Helsinki am 4.5.2013 gehalten)
Der
Predigttext des heutigen Sonntags steht geschrieben im 13. Kapitel des
Hebräerbriefes:
„Der
Gott des Friedens aber, der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus,
von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes, der mache
euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm
gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit!
Amen.“
Liebe
Brüder und Schwester!
Guthirtensonntag
heißt dieser Sonntag des Kirchenjahres. Unsere kleinen Gemeindemitglieder haben
das Lämmchen in ihren Gottesdienst mitgenommen als ein Zeichen dafür, dass wir
alle Schafe Jesu sein sollten. Jesus als Hirte und wir Christen als Schafe ist
ein altes, vielleicht ein bisschen schnulziges Bild über Jesus und über das
Christsein. Ein Christ als ein Lamm kommt dem modernen Menschen nicht besonders
mündig vor und warum muss er eben nach den verlorenen laufen: wir anständigen
sind ja da!
Hirten
und Schafe sind trotzdem keine niedlichen Schnörkel oder Verzierungen der biblischen
Sprache. Nein, eher muss man sagen, dass sie zu den zentralen Begriffen des
Glaubens gehören. Die Hirten verrichten eine schwere und unbequeme Arbeit auf
den Wiesen und sind auch dann im Einsatz, wenn die anderen Menschen im Bett
liegen. Ihre Arbeit ist den anderen zu dienen. Sie gehören nicht zu der
Oberschicht. Sie vertreten Demut und Dienstbereitschaft.
Das Bild vom Hirten spielt in der Bibel eine große Rolle.
Der Hirte vertritt ein großes Ideal. In der Vätergeschichte waren ja die
Hauptgestalten Abraham, Isaak und Jakob Hirten, König David war auch Hirte sogar
in zweier Weise: zuerst hütete er seine Schafe und dann später das Volk
Israel. Auch die Könige in der alttestamentlichen
Welt wurden entweder gute oder schlechte Hirten genannt.
Jahwe betrachtet im Alten Testament die Aufnahme oder
Verwerfung Seiner Boten und damit Seiner Botschaft, als seine persönliche
Annahme oder Verwerfung. Wer diese Zeugen und ihre Botschaft angenommen und
sich darunter gebeugt hat, wird mit "Schaf" bezeichnet und zur
Rechten des Königs gestellt und darf ins ewige Leben eingehen; wer aber Gott
und seine Sendboten verworfen und gehasst hat, wird als "Bock" zur
Linken gestellt und empfängt ewiges Gericht.
Dieses Bild des Endgerichts wiederholt sich in der Offenbarung
Johannis, wo gesagt wird: „Und alle Völker werden vor ihm versammelt werden und
er wird sie voneinander scheiden, wie ein Hirte die Schafe von den Ziegen
scheidet, und er wird die Schafe zu seiner Rechten stellen, die Zicklein aber
zu seiner Linken. Der Höhepunkt dieser Hirtenbilder ist sicher der Psalm 23,
was wir eben zusammen gelesen hatten: Der Herr
ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln.
Der gute Hirte ist im Christentum
eine der ältesten Bezeichnungen für Jesus Christus. Es
war übrigens auch ein Lieblingsbild mancher römischer Herrscher. Kaiser
Augustus ließ sich gerne in Stauen im Hirtengewand mit einem Schaf zu seinen
Füßen abbilden. Wie die Hirten immer wieder auf der Suche nach neuen
Weidegründen sind, so müssen die Könige damals und die Politiker heute
versuchen, immer neue Lebensmöglichkeiten für ihr Volk zu finden. Das tut auch
heute der Präsident unseres östlichen Nachbarlandes, indem er sich vor ein Paar
Wochen in einem Interview als Hirten des russischen Volkes bezeichnete. Neue
Weidegründen…Ein Lieblingsmotiv vieler Machthaber durch die Zeiten.Der gute Hirte aber kennt die Schafe und ruft sie einzeln beim Namen. Die Schafe erkennen ihn an der Stimme. Bis zur Hingabe des eigenen Lebens setzt sich der gute Hirte im Gegensatz zum Lohnhüter für die Herde ein.
Den Hintergrund der allegorischen neutestamentlichen jesuanischen Hirtenworte bildet das Hirtenmotiv des Alten Testaments, das auf Gott selbst bezogen ist. Einen Gegenpol hat die Allegorie Jesu als dem guten Hirten in dem des „Lammes Gottes“. Hier erscheint Jesus als makelloses Lamm, das zur Vergebung der Sünden geopfert wird.
Liebe Gemeinde! Wir blieben eine Weile bei der Hirten- und Lammkunde, um vielleicht besser in diese archaische Bilderwelt hinein zu kommen und uns von den abwegigen Hirtenvorstellungen und romantischen Weidelandschaften zu befreien.
Unser heutiger Predigttext ist eine Doxologie, ein Gotteslob am Ende des Hebräerbriefes. In ihn wurde die zentrale Aussage des Briefes destilliert. Die ursprüngliche Aufgabe des Textes war die neuen Gemeindemitglieder in Rom in ihrem Glauben und Gemeindeleben zu stärken. Der Text hat einen direkten Bezug auf die Osterereignisse und er baut gleichzeitig eine Brücke von der Passion zum Himmelfahrt. Der Text bildet auch einen Übergang zwischen dem Alten und Neuen Testament, indem er besagt, dass die Sünden des alten Bundes durch das Blut des ewigen Bundes vergeben sind. Mit Jesus Christus ist die neue Ära eingetreten.
Liebe Gemeinde, wir verlassen jetzt die neutestamentlichen
Realien und nehmen ins Visier das
Hirtenamt. Hier und da gibt es sie ja tatsächlich, die guten Vorbilder, für
die wir Gott wirklich nur dankbar sein dürfen. Der gute Hirte, den die Bibel
beschreibt, ist keine menschliche Möglichkeit. Es ist Gottes Freiheit, sich uns
anzubieten als der gute Hirte. Aber auch der gute Schafhirte taugt als Beispiel
für das, was Christen füreinander sein können: Begleitung, Stütze und Stärke.
Menschen, die füreinander wichtig sind und einander helfen zu leben. Das ist
schon sehr viel. Solange wir einander segnen, einander begegnen in der
Nachfolge des guten Hirten, der da ist für die Seinen, solange ist die Kirche
nicht verloren.
Es gibt allerhand Hirten, sowohl weltliche als auch
kirchliche, aber es gibt nur einen
guten Hirten. Die Menschen bleiben fehlbar, auch die Besten. Sie können irregehen
und auch falsch führen. Die Menschheit hat sich im Laufe der Geschichte von allerlei
Hirten führen lassen und tut das immer noch, dafür haben wir reichlich
Beispiele.
Die bösen Hirten weiden an sich selbst, sie kennen ihr
Schaar nur als ein Mittel für die eigene Selbstverwirklichung und
Machtentfaltung. Sie lassen ihr Leben tatsächlich nicht für ihre Schafe. Von
dieser Heimsuchung sind leider auch die Kirchen betroffen: die römische Kirche
mit ihrem Papstwesen und Sakramentisierung des Priestertums und die orthodoxe
mit ihrer engen und langen Liaison mit den jeweiligen Machthabern. Die
Führungsprobleme unserer Kirche sind ein bisschen anders. Der Stein des Anstoßes
für diejenige, die für obere Hirtenämter im Lande eingekleidet sind, ist die Fügsamkeit und die bedingungslose Anpassung zum Zeitgeist. Man rasiert
mit dem Strich, damit es nicht weh tut.
Und wie sieht dieser Zeitgeist aus? Es wird in vieler Weise
versucht die Religion in der Gesellschaft zu marginalisieren und entwässern,
mit der Begründung, dass alle Bürger des Landes die christlichen Werte nicht
teilen können oder wollen. Diese antikirchliche und antichristliche Kräfte sind besonders emsig im Bereich der Erziehung
gewesen: typische Beispiele sind die Suvivirsi- und Tageseröffnungsdiskussion
und der Schlacht um die zukünftigen Religionslehrpläne gewesen. Je weniger wir
christliche Früherziehung haben, desto weniger wird es auch Christen geben, so
etwa läuft die Logik dieser lauter Minderheit, die leider auch von den
führenden Medien unterstützt wird.
Es ist angenehmer und populärer über die Gleichberechtigung,
Pluralität, Solidarität und Demokratie zu reden als über die Sünde, Gnade und
Seelenheil. Es besteht die Gefahr die Botschaft Christi zu einer sozialen
Gerechtigkeitspredigt zu reduzieren. Es kann auch nicht wahr sein, dass die
sexualethischen Fragen die Mitte der christlichen Botschaft bilden. Da hätten unsere
Hirten lauter sein können und in Kauf nehmen, dass es nicht immer geklatscht
wird. Die Gerechtigkeit ist die Folge und Frucht des Glaubens, nicht ihre
Voraussetzung. Die Hirtenarbeit sollte auch eine prophetische Arbeit sein,
obgleich sie in der jetzigen Zeit durchgeführt wird.
Andererseits, wenn man die Nachfolger Jesu anschaut, waren
sie auch keine besonderen Glaubenshelden, wie zum Beispiel der dreifache
Versager Petrus, der später den Fels der Kirche bilden sollte.
Sein dreifaches Versagen muss Petrus durch sein dreifaches
Bekenntnis wieder gut machen. Jesus nimmt es an und setzt
den reumütigen Sünder wieder ein. Und gerade diesem gibt er den Auftrag: Weide
meine Schafe!
Jesus sucht sich, das sehen wir im ganzen Neuen Testament,
immer wieder Menschen, denen man es eigentlich nicht
zutraut, dass sie das Hirtenamt ausüben könnten. Aber gerade darin liegt ja das
Besondere an dieser Aufgabe, an diesem Amt.
Als Pfarrer bin ich nicht der gute Hirte, weder die liebe
Katja, Erik oder Hans-Martin. Wir sind Schäfer mit unterschiedlichen Gaben, vom
guten Hirten beauftragt um SEINE Schafe zu weiden. Er ist unser guter Hirte, er
soll dem Verlorenen nachgehen und den Verletzten heilen. Jesus hat gesagt:
Weide meine Schafe! Aber
damit hat er mich nicht zum guten Hirten gemacht, sondern
ich bleibe, was ich war: Ein Mensch, der fehlen kann, ein
Sünder wie du und ich. Der Auftrag des Pfarrers ist es:
Gottes Wort zu verkünden und die Sakramente zu verwalten. Dass dieses Wort aber
wirkt, dass Menschen gerettet werden, dass Sünden vergeben werden, das kann
nicht der Pfarrer, das kann nur Gott.
Vor Ostern wurden in manchen finnischen Gemeinden sogenannte
„Twaarnas“ gehalten, das ist eine Twitterpredigt, etwa 140 Zeichen lang und
könnte auf Deutsch „Twredigt“ heissen. Die Idee war die redseligen Pfarrer
abzubremsen und sich auf das wesentliche zu konzentrieren. Vielleicht könntest
du heute das nach Hause mitbringen: „Du bist einzigartig, du bist ein Abbild
Gottes. Dies ist dein Vorteil, Freiheit und Pflicht. Es gibt keinen direkten
Weg zum Christsein. Wenn du diesem Bild deinen Rücken kehrst, wirst du von
Angst, Zweifel und Not begleitet. Deine Aufgabe als Mensch ist, das zu werden,
wozu du bestimmt bist. Die richtige Freude kann nur durch den Durst der Seele
erzielt werden. Dieser Lebensweg ist gangbar nur durch die Umwandlung und
Änderung. Auf diesem Wege hast du den treuen Begleiter, der dir sagt:
"Meine
Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir; und ich gebe
ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie
aus meiner Hand reißen."
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus zum ewigen Leben. Amen
Weil ich Jesu Schäflein bin...
Ei kommentteja:
Lähetä kommentti